E – wie Erinnerungen und Erfahrung

Je älter wir werden, desto mehr Erinnerungen haben wir natürlich. Wir können darin schwelgen. Im Alter, so sagt man, verklären sich die Erinnerungen. Über Missgeschicke kann man lachen, sie werden zu den Geschichten, die man beim Familien- oder Freundestreffen immer wieder erzählt und die vielleicht noch beim Totenschmaus zum Besten gegeben werden. 

 

Die schönen Erinnerungen sind im Alter oft ganz vorne in unserem Erinnerungsspeicher. Es bedarf nur ein Stichwort und sie sind wieder lebendig. Ob das, das Geheimnis der Altersweisheit ist? 

 

Erinnerungen können aber auch quälend sein, sogar bis ins Alter hinein. Je früher man sie relativieren, mit Distanz betrachten kann, desto besser. Oft war das Unglück Schuld an einer anderen Lebensrichtung, die ins Glück führte, und Fehler waren die besten Lehrmeister. Manche Erinnerungen sollte man aber vielleicht ganz löschen.

 

Kürzlich habe ich das Buch „Der Elefant, der das Glück vergaß“ von Ajahn Brahm, erschienen im Lotus-Verlag, gelesen. Was er über den Umgang mit Erinnerungen schreibt hat mich zum Lachen gebracht, aber auch nachdenklich gemacht.

 

In einem Fotoalbum, so sagt er, haben wir nur die schönen, glücklichen Augenblicke des Lebens. Aber in unserem Kopf setzen sich oft die unschönen Bilder fest. Im Fotoalbum sind die Momente des Versagens, der Blamage und des Zorns nicht zu finden, wohl aber in unserem Gedächtnis.

 

Das ist einerseits gut, denn wir müssen ja den gleichen Fehler nicht zweimal machen, wir lernen aus den negativen Erfahrungen. Andererseits kann es sehr schlecht sein, wenn wir den düsteren Bildern mehr Platz einräumen als den positiven Erlebnissen. Dann ist unser Blick in die Zukunft auch düster, und wir werden zu Schwarzsehern.

 

Ajahn Brahm empfiehlt, es wie ein guter Hühnerfarmer zu machen. Die Eier einsammeln, aber den Hühnerdreck liegen lassen. Er ist Dünger für den Boden, aber zu mehr auch nicht zu gebrauchen. So sind unschöne Erinnerungen und Erfahrungen der Dünger für unser Wachstum, mehr aber auch nicht.

 

Aus den schönen Erinnerungen, sprich den Eiern, lässt sich ein köstliches Omelett zubereiten und man kann sie auf dem Markt zu Geld zu machen. So, wie man aus den positiven Erfahrungen Selbstvertrauen und Mut gewinnen kann, was uns wunderbare Momente erleben lässt und beruflich zu Erfolgen führen kann.

 

Immer an Silvester überlege ich mir, welche unschönen Erfahrungen ich nicht mit ins neue Jahr nehmen möchte. Ich lasse das alte Jahr Revue passieren, schaue mir ungute Gewohnheiten an, erkenne, welche Erinnerung mich immer noch ärgert oder quält und schreibe alles auf ein Blatt Papier. Kurz vor Mitternacht verbrenne ich das Blatt.

 

Ajahn Brahm hat eine ähnliche Methode, nur ist die nicht an Silvester gebunden. Er findet, alles Ungute auf Toilettenpapier zu schreiben sei sinnvoll. Denn dieses Papier sei genau dafür gedacht – Sch... wegzuwischen und mit der Wasserspülung verschwinden zu lassen, samt allem was darauf geschrieben steht.