G - wie Gebet und Gott

Zwei Themen, die in meinem Leben eine sehr grosse Rolle spielen. Mir ist bewusst, dass es Themen sind, die jenseits von Sprache liegen, und doch will ich meine Erfahrungen in Worte kleiden.

 

Gebet - was für interessantes Wort! Es ist dem Geben näher als dem Beten. Wer gibt der betet. Wann beten wir in der Regel? Wenn uns etwas fehlt, wenn wir um etwas bitten, es soll uns etwas gegeben werden. Vielleicht sollten wir zuerst geben. Die Aufforderung: Gebet und das Wort Gebet sind identisch. 

 

Die Bitte im Gebet ist an eine höhere Macht gerichtet, im germanischen Sprachraum verwenden wir das Wort Gott.

 

In der Bibel, 2. Buch Moses, 3. Kapitel, 14. Vers antwortet Gott auf die Frage nach seinem Namen: „Ich bin, der ich bin.“ Wenn ich in diesem Satz das Komma verschiebe, dann sieht der Satz so aus: „Ich bin der, ich bin!“ Und wenn ich das Komma durch einen Doppelpunkt ersetzte: „Ich bin der: ich bin!“. Wie oft am Tag spreche ich dann den Namen Gottes aus?

 

Ob wir diese Instanz, die wir um etwas bitten, nun Gott, Allah, höhere Macht, Energie, Natur, Kosmos oder wie auch immer nennen, ist unerheblich. Denn jedes Wort, jedes Bild, jede Vorstellung ist zu klein, zu wenig, kann das nicht fassen, was wir ansprechen im Gebet.

 

In der Bibel, im alten Testament heisst es, dass wir uns kein Bild von Gott machen sollen. Im Islam ist jedes Bild streng verboten. Im Hinduismus finden wir unendlich viele Figuren der göttlichen Instanz, für jeden Lebensbereich eine eigene Darstellung.

 

Jesus hat vom Vater gesprochen und so bekam Gott menschliche Züge. Ein Bild zu haben erleichtert mir den Zugang, aber mir ist bewusst, dass es nur ein Bild ist und Gott über alle meine Bilder hinaus geht.

 

Meine Erfahrung ist, dass ich nie vergeblich bete. Jedes inständige Gebet findet Resonanz. Es entlastet die Seele. Es gibt Probleme, die kann ich nicht lösen, dann ist es wunderbar, sie in Gottes Hände legen zu können.

 

"Das Gebet ersetzt keine Tat, aber es ist eine Tat, die durch nichts zu ersetzen ist." Dietrich Bonhoeffer

 

Was zählt im Gebet ist die innere Haltung mit der ich bitte, sie muss absichtslos sein: ich bitte, aber gleichzeitig akzeptiere ich die jeweilige Situation und was daraus wird. Es ist das „Herr, dein Wille geschehe“, aus dem Vaterunser. Das Inschallah, „so Gott will“ des Islam. 

 

Mein Glaubensweg hat Höhen und Tiefen. Es ist ein spannender Entwicklungsweg, ein spiritueller, kein religiöser. Ich habe mal versucht ihn nachzuzeichnen, es ist ein dreiteiliger Roman daraus geworden, der in meinem PC ruht. 

 

Hier die Kurzversion: katholisch aufgewachsen und geprägt, als Kind gläubig ohne zu zweifeln, bis ich erkennen musste, dass es Menschen sind, die meinen Glauben bestimmen wollen.

 

Es kam die gesunde Rebellion gegen alles was Kirche heisst.

 

Ich war 32 Jahre alt, als Gott mich wieder einfing. Ich fand Zugang zum Buddhismus durch die Zen-Meditation, kam in Indien mit dem Hinduismus in Berührung und fing an mich mit allen möglichen Glaubensrichtungen zu beschäftigen. So bin ich zu einer Art „Patchwork-Religiösen“ geworden, denn ich habe überall Weisheiten gefunden, die mein Weltbild bereicherten und meine Seele annehmen konnten. Mein Fazit: alle haben das gleiche Ziel. Es sind nur die Menschen, die unbedingt nach Unterschieden suchen und dadurch Zwietracht säen. 

 

Nie kam ich auf den Gedanken, aus meiner Kirche auszutreten, sie gab mir Wurzeln für die ich dankbar bin.  Durch sie konnte ich wachsen und mich entfalten. 

 

Vor kurzem habe ich den Roman Die vierzig Geheimnisse der Liebe von Elif Shafak, erschienen im Kein und Aber Verlag, gelesen. Er handelt von Rumi (Dschala ad-Din ar-Rumi 1207–1273), dem grossen persischen Dichter und Gelehrten, und ich fand dort folgende Zeilen, Worte, die ausdrücken, was mein tiefstes Wesen anerkennt:

 

„Ich bin nicht Christ, nicht Jude und nicht Moslem, nicht Hindu, Buddhist, Sufi oder Anhänger des Zen. Ich folge keiner Religion, keiner Kultur. Ich bin weder vom Osten noch vom Westen... Mein Ort ist ortlos, Spur des Spurlosen“ (Zitiert aus der Taschenbuchausgabe Seite 269)

 

Die grosse Frage im Zen ist: wer bin ich? Leichter ist die Antwort auf die Frage: wer bin ich nicht? 

 

Sorry, jetzt ist dieser Abschnitt weit über die Worte Gebet und Gott hinaus gegangen. Er weist auf Begriffe wie Religion, Spiritualität, Bücher, Glaube, Kirche, Erfahrung, Vertrauen und viele mehr hin. 

 

Zum Abschluss ein wunderbarer Satz, den mir mein Zenmeister für meine Meditationen gegeben hat:

 

„Gott ist ganz du, aber du bist nicht Gott.“